Spitalkirche Stadtprozelten
Die heutige Pfarrkirche wurde um 1320/30 als Spitalkirche des Deutschen Ordens am Stadtrand errichtet und war ursprünglich der Hl. Barbara geweiht. Pfarrkirche war die kleinere Georgskirche im Stadtzentrum. Die gotische Barbarakirche wurde vor allem wegen Hochwasserschäden seit der Renaissance mehrfach umgebaut, erweitert und umgestaltet. Zur Pfarrkirche wurde sie erst 1811, mit dem Abriss des baufälligen Georgskirchleins, erhoben. Das angegliederte Spital - ein Altenheim - war bis 1985 durchgängig in Betrieb.
Zur Stadt Prozelten auf fabuly
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Der Deutsche Orden und das Spital
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Obwohl Stadtprozelten bereits 1275 erstmals urkundlich als Stadt erwähnt ist (volle Stadtrechte nach Gelnhäuser Vorbild jedoch erst 1355 durch Kaiser Karl IV.), konnte sich die Kirchengemeinde erst 1323 aus der Pfarrei Dorfprozelten herauslösen. Zu der neu gegründeten Pfarrei kamen später Neuenbuch und Breitenbrunn als Filialorte hinzu. Als das entscheidende Moment für die Bildung der eigenständigen, zum Bistum Mainz gehörigen Pfarrei, ist die Herrschaftsübernahme des Deutschen Ordens in Stadtprozelten wenige Jahre zuvor zu sehen. 1319 hatte Elisabeth von Hohenlohe Burg Prozelten - die Henneburg - inklusive der Talsiedlung an den Deutschen Orden verpfändet. In diesem Zuge verlegte der Orden das von Elisabeth in Neubrunn bei Würzburg gestiftete Spital nach Stadtprozelten. Zur ersten Pfarrkirche der Stadt wurde aller Wahrscheinlichkeit nach die ältere Georgskapelle, die bislang der Vituskirche in Dorfprozelten unterstanden hatte, erhoben. St. Barbara wurde unter Umständen erst einige Jahre später errichtet und blieb dem Deutschen Orden sowie dessen Pfründnern (Bewohnern) im Spital vorbehalten.
Da zur Gründung von St. Barbara keine Schriftquellen bekannt und/oder erhalten sind, kann ihr Baujahr nicht genau angegeben werden. Die ältesten erhaltenen Bauteile, das Untergeschoss des Turms und der gotische Chor, stammen aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das vor einigen Jahren renovierte Maßwerkfenster über dem Altar lässt sich etwas genauer in die Zeit um 1330 datieren. Somit muss das Spital unmittelbar nach seiner Verlegung nach Stadtprozelten 1319 eine eigene Kirche erhalten haben. Mit der Veräußerung Stadtprozeltens an das Erzstift Mainz 1483 wechselte auch die Trägerschaft des Spitals. Der Betrieb - vergleichbar mit einem Altenheim - unterstand fortan dem Mainzer Amtmann.
Die Wohneinheit des Hospital bestand aus einem abgewinkelten Gebäude, das vermutlich über einen Gang mit der Kirche verbunden war. 1808 wurde es abgebrochen und durch einen Pfründnerbau, der rund 30 Personen Platz bot, und ein Verwaltungsgebäude (später Postamt) ersetzt. Seit 1835 (?) wird die Hospitalstiftung der Elisabeth von Hohenlohe durch das Stiftungsamt Aschaffenburg verwaltet. Da sich die Finanzkraft der Stiftung aufgrund inflationärer Entwicklungen seitdem extrem vermindert hat, reichten die Stiftungserträge im 20. Jahrhundert nicht mehr aus, um die Betriebs- und Instandhaltungskosten - auch die der Spitalkirche - zu decken. Deshalb wurde das Stiftungsvermögen 1976 unter Änderung des Stiftungszwecks an das Altenheim Amorbach übertragen. 1985 kam es zur Schließung des Altenheims aus wirtschaftlichen Gründen.
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Ursprüngliche Bauform
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Außenbau
Die Barbarakirche ist als Saalbau (einschiffig) mit eingezogenem Chor und oktogonaler Apsis im gotischen Stil konzipiert. Das Langhaus besaß ursprünglich wahrscheinlich nur drei Fensterachsen, der Chor zwei. Alle Fenster sind spitzbogig und mit Maßwerk verziert. Mit Ausnahme zweier Fenster auf der Südseite unterscheiden sich die dreiteiligen Fenster im Hauptschiff in Form und handwerklicher Ausführung deutlich von den zweiteiligen Fenstern des Chors. Das spitzbogige Südportal stammt aus der Erbauungszeit, Nord- und Westportal sind jüngeren Datums. Acht Strebepfeiler an der Außenseite des Chors stützen das Kreuzgewölbe im Inneren. Sie sind bei etwa 2/3 ihrer Höhe gestuft und besitzen giebelförmige Abschlüsse mit gotischer Maßwerkornamentik. Auf der Südseite befinden sich unterhalb der Fenster kapellenartig überwölbte Nischen zwischen den Strebepfeilern, die seit 1930/31 jedoch von der neuen Sakristei verdeckt sind. Der Turm schließt nördlich direkt an den Chor an. In seinem Untergeschoss beherbergt er die über ein lanzettbogiges (sehr steiler Spitzbogen) Portal zugängliche Sakristei.
Einige weitere Informationen zur ursprünglichen Gestalt der Spitalkirche bietet eine der ältesten Ansichten Stadtprozeltens in der Wertheimer Geleitkarte von 1593. Sie zeigt die Stadt von Südosten und gibt die Spitalkirche am linken (südwestlichen) Stadtrand als hell verputzes Gebäude mit Schieferdächern wieder. Der Turmschaft ragt etwa ein Geschoss über den First des Kirchenschiffs hinaus und trägt einen hohen und spitzen, schiefergedeckten Turmhelm. Sein oberstes Geschoss weist drei schmale aber hohe Fenster bzw. Schallöffnungen auf. Der Chor ist nicht zu erkennen, wäre vom Langhaus auch zu großen Teilen verdeckt. Auf der südlichen Langseite des Kirchenschiffs sind vier Fensterachsen angedeutet, der westliche Gibel weist ein zentrales Portal mit je einem Fenster links und rechts davon, im Giebel darüber ein Okulus auf. Das Gebäude besitzt ein zweites Türmchen, das im Bereich der südlichen Dachtraufe oberhalb des zweiten Fensterjochs wie eine Gaube oder ein Dachreiter aus dem Dach herausragt.
Innenraum
Das Kirchenschiff war nie eingewölbt, besaß also eine von Balken getragene Flachdecke. Die heutige Holzdecke ist allerdings modern. Das Chorgewölbe wird von gekehlten Rippen getragen, die auf figürlichen Konsolen an den Außenwänden sitzen. Seine Schlusssteine sind mit Blattwerk verziert, die Gewölbekappen mit verschiedenen Symbolen: Evangelisten, Eidechse (Symbol der Buße und Wiedergeburt), Pelikan, Löwe (Symbol der Auferstehung) und tragender Mann. Die Sakristei besitzt ebenfalls ein Kreuzgewölbe mit gekehlten Rippen auf Profilkonsolen. Dessen runder Schlussstein trägt ein Relief mit Lamm Gottes-Darstellung.
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Der Weg zur Pfarrkirche
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Die steinerne Freitreppe an der Ostseite des Turms führt in dessen Obergeschoss. Sie stammt von 1600 und trägt das Wappen des Mainzer Kurfürsten Wolfgang von Dalberg. 1628 erhielt der Turm das heutige Obergeschoss und den Spitzhelm mit seinen Wappengiebeln. Auf diesen ist der Mainzer Kurfürst Friedrich von Greiffenclau mit seinem Wappen verewigt. Ebenfalls im 17. Jahrhundert scheint das Langhaus erhöht und um eine weitere Fensterachse nach Westen verlängert worden zu sein. Aus dieser Zeit stammen die westlichen Spitzbogenfenster sowie Nord- und Westportal.
Da Stadtprozelten bis 1614 kein Pfarrhaus besaß, wohnten die Stadtpfarrer im Spital und bezogen auch den größten Teil ihres Einkommens aus dem Hospitalfonds. Angesichts dessen erstaunt es fast schon, dass die Spitalkirche wohl erst im 18. Jahrhundert die Funktion als Pfarrkirche von dem wesentlich kleineren Georgskirchlein übernahm. 1811 wollte der damalige Pfarrer Sebastian Josef Luca die Barbarakirche umbauen, um das nur wenige Meter oberhalb des Mains gelegene Gotteshaus vor Überflutung zu schützen. Wärend der 9 Jahre seiner Tätigkeit in Stadtprozelten sei das Hochwasser des Maines sechs mal so hoch gewesen, dass kein Gottesdienst möglich war. Außerdem sollte die offenbar baufällige Georgskapelle, in der schon seit über 30 Jahren keine "gottesdienstlichen Handlungen" mehr stattfänden, abgerissen werden. Den veranschlagten Kosten von 280 Gulden für die Erhöhung von St. Barbara standen 2.000 Gulden für die Renovierung der Georgenkapelle gegenüber. Das erzbischöfliche Generalvikariat gab dem Antrag statt. Die Altäre und Reliquien von St. Georg wurden in die umgebaute Spitalkirche überführt und diese als St. Barbara und Georg zur Pfarrkirche erhoben.
Ende des 19. Jahrhunderts erhielt die Kirche eine neugotische Ausstattung. Der Neubau der Sakristei südlich des Chors sowie die Höherlegung des gesamtem Chorraumes erfolgte in den Jahren 1930/1931. 1935/1936 wurde das Langhaus erneut höher gelegt und unter Bildung eines Vollwalmdaches um sechs Meter nach Westen verlängert. Die Empore im Inneren fand hier Platz. Die Altäre stammen aus der Nachkriegszeit. 1953 ging das Gebäude samt Pfarrhaus durch Schenkung von der Hospitalstiftung (Stiftungsamt Aschaffenburg) an die katholische Kirchenstiftung über.
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Ausstattung
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Im Inventar der ehemaligen Spitalkirche sind nur noch wenige Relikte der spätmittelalterlichen und renaissancezeitlichen Kirchenausstattung verblieben:
- Glocke mit Umschrift "MEYSTER JOHAN VON MENCE DER GOS MIC", 14. Jh., eine der ältesten Glocken der Region
- Sandsteinfigur einer Heiligen, um 1400, vmtl. Hl. Elisabeth von Thüringen oder Hl. Barbara, u.U. jedoch Stifterbild der (nicht heilig gesprochenen) Elisabeth von Hohenlohe geb. von Henneberg, im Volksmund "Schloßfräle" oder "Gräfin von Henneberg" genannt
- Chorhauptfenster mit Glasmalerei (Rankwerk auf blauem und rotem Fond), Anfang 15 Jh., restauriert, Fenster zur Hälfte zugesetzt
- Glocke mit Minuskel-Inschrift, vmtl. 15. Jh.
- Kreuzigungsgruppe auf Hochaltar, Anfang 16. Jh., Nürnberger Schule des Veit Stoß (155-1520)
- Kronleuchter um 1620, Werk des Hans Klanbacht
Alle weiteren Objekte stammen aus der Zeit nach dem 30-Jährigen Krieg (Barock)
- Chorfenster auf Nordseite mit Glasmalerei, kleine braune Rundscheibe mit Inschrift "Martin Wind anno 1662"
- Glocke, 1677, gegossen von Sebastian Kopp in Würzburg
- Taufstein, spätes 17. Jh., Rundbecken mit Engelsköpfchen und Fruchtmotiven, runder Fuß mit Voluten, die Symbole der vier Evangelisten tragen, Steinmetzzeichen "T" in Kartusche
- Elfenbeinkruzifix, Anfang 18. Jh., Höhe Korpus 0,30 m
- Grabstein des Joh. Nikolaus Petri von Mainz, Spitalmeister und Keller, gest. 1737 und seiner Frau Anna Juliane, geb. Hofmann von Aschaffenburg, gest. 1730, Ehewappen unter Baldachin
- Monstranz aus vergoldetem Silber, Inschrift: "ora pro me meisque Joannes Nicolaus Petri 1736", oben Gott-Vater, unten Hl. Geist um die Lunula Engel, am Fuß getriebene Blumen, Meistermarke "BW" (wohl Bonifacius Wilhelmi)
- hölzerner Schrank mit geschnitzten Ornamenten, frühklassizistisch, um 1780, heute auf Orgelempore
Die bürgerlichen Grabsteine an der Außenseite der Kirche stammen aus dem 17./18. Jahrhundert. Der westlich vor der Kirche stehende Bildstock, bestehend aus einem abgefasten Pfeiler mit Reliefaufsatz, stammt aus dem 17. Jahrhundert. Seine nach Osten weisende Vorderseite zeigt eine Kreuzigungsgruppe, die Rückseite eine Pietà-Darstellung.
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Literatur und Links
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Adolf Feulner: Stadtprozelten.
In: Felix Mader (Hg.): Bezirksamt Marktheidenfeld. Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Unterfranken VII, München 1913, S. 112–142.Stadt Stadtprozelten (Hg.): Stadtprozelten 1355-2005, Stadtprozelten 2005.
Erhard Tremel: Chronik der Stadt Stadtprozelten - einem Städtchen des Deutschen Ritterordens, Stadtprozelten 1992.
weiterführende Links:
Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege