Nöthigsgut
Das sogenannte Nöthigsgut in Großostheim war ursprünglich ein Lehenshof des Aschaffenburger Stifts St. Peter und Alexander. Das bestehende Ensemble der geschlossenen Hofanlage ist ab 1421 entstanden und hat bis 1629 die Charakteristik eines Stadtschlosses angenommen. Nach umfassender Renovierung beherbergt es heute das regionale Bachgaumuseum, das die ehemaligen Stallungen, Scheunen und den Weinkeller einbezieht. Seinen heutigen Namen hat das Gut von seinem letzten Pächter, der Familie Nöthig.
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Eckdaten
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Die Inhaber des Hofguts fungiertem als Faktor für Kurmainz mit dem Erzbischof und Kurfürst an der Spitze. Das vererbliche, aber unteilbare und unveräußerliche Lehen wurde von den Aschaffenburger Stiftspröpsten - seit 1588 bekleidete der Mainzer Erzbischof selbst dieses Amt - vergeben. Der in Großostheim und Pflaumheim erhobene Kirchenzehnt wurde hier abgeliefert, wobei dem Faktor als Entlohnung ein Teil der Abgaben zufiel. Die Lehensinhaber stammten ausschließlich aus angesehenen Familien und bekleideten häufig auch das Amt des kurmainzischen Zentgrafen im Bachgau. Dieser war oberster Richter, zuständig für Verwaltung, Steuern, Zoll, Militär, Polizei und Geleit.
Erster bekannter Lehensnehmer ist der Niederadelige Heinrich Clebitz, der den Hof von Erzbischof Johann II. von Nassau (1397-1419) verliehen bekam. Um 1800 umfasste das Hofgut 254 Großostheimer Morgen, was fast 46 Hektar entspricht. Die Faktoren aus der namengebenden Familie Nöthig waren damit die größten Grundbesitzer des Ortes. Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren hier die meisten Großostheimer beschäftigt.
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Die Hofanlage
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Wie andere Höfe in Großostheim auch, wird das Nöthigsgut durch ein großes Hoftor und eine daneben gelegene schmale Fußgängertür erschlossen. Das Gut besteht aus drei Wohn-/Wirtschaftsgebäuden und einer Zehntscheune sowie einem 1549 im Innenhof 14 Meter tief abgeteuften Brunnen. Zusammen mit den ehemaligen Stallungen im Westen, heute Teile des Bachgaumuseums, und einer verschlossenen Einfahrt im Osten erkennt man einen annähernd dreieckigen Hofgrundriss.
Das Gotische Haus datiert auf das Jahr 1421 und ist somit das älteste Fachwerkgebäude im Landkreis Aschaffenburg. Zierfachwerk und Wabenglasfenster bezeugen die gehobene Ausstattung des Gebäudes. 2005-2007 wurde es statisch ertüchtigt und rekonstruiert.
Das vom sechseckigen Treppenturm erschlossene Hohe Haus wurde 1571 erbaut. Seinen stuckverzierten Wohnräumen dienten den Stiftspröpsten, also den Mainzer Erzbischöfen, als Residenz. Im 1579 errichteten und von einer Außentreppe mit Maßwerkbrüstung geprägten Mittelbau wohnten die Faktoren. Im Zuge der Sanierung des Gesamtkomplexes zwischen 1993 und 2001 wurde die Farbgestaltung wieder der originalen Fassung um 1580 angepasst: Die Balken des Fachwerks sowie ein breiter Streifen an beiden Seiten in kräftigem Ockergelb, die Gefache in hellem Beige. Ein schwarzer Begleitstrich fasst das Ockergelb wirkungsvoll ein. Die Fenstergewände trugen ursprünglich aufwändige Malereien.
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Das Nöthigsgut im 20. Jahrhundert
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1929 erwarb die Gemeinde das Anwesen samt Grundbesitz. Es zog ein Altersheim (Pfründnerheim) ein, später noch die örtliche Gendarmerie. 1937/38 wurde die an der Kanzleistraße gelegene Scheune zum Hitler-Jugendheim umgebaut. Außerdem entstand auf dem Grundstück eine Feuerwehrhalle mit Schlauchturm. Nach dem 2. Weltkrieg waren mehrere Sozialwohnungen untergebracht. Von 1988 bis 1992 diente das Nöthigsgut als Filmkulisse für die Fernsehserie „Mit Leib und Seele“. Seit Anfang der 90er-Jahre erfolgte nach und nach die Räumung der einzelnen Gebäudeteile und deren Umbau zum Kulturzentrum. Im Bachgaumuseum sind seit 1975 zahlreiche Exponate aus der abwechslungsreichen Geschichte des Bachgaus, aus dem Alltagsleben auf dem frühneuzeitlichen Herrschaftssitz und aus verschiedenen Handwerken zu sehen. Seit der umfassenden Sanierung des Gesamtkomplexes ist hier auch die Musikschule untergebracht, das Gotische Haus wird für Veranstaltungen wie Trauungen, Feiern, Ausstellungen und Seminare genutzt.
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Literatur und Links
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Burglandschaft Spessart und Odenwald
Bachgaumuseum und Geschichtsverein Großostheim e.V.
Europäischer Kulturweg "Großostheimer Renaissance"
Europäischer Kulturweg "Früchte des Löss"
Europäischer Kulturradweg "Durch den Plumgau"
Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege
Großostheim ist außerdem Start- bzw. Endpunkt des Fränkischen Rotwein-Wanderwegs.